Ergotherapeuten-Unternehmen gründen: Markt, Software, Fehler (2025)
Was Sie hier finden (und was nicht)
Dieser Text ist keine motivationale Anleitung und kein Schritt-für-Schritt-Rezept zum garantierten Erfolg. Es ist eine ehrliche Einschätzung der Realität einer Ergotherapiepraxis-Gründung in Deutschland. Sie finden hier keine ROI-Versprechen, keine Timelines mit Erfolgsgarantie und keine "5-Schritte-Formel".
Was Sie nach der Lektüre verstehen werden: Wie der Ergotherapie-Markt tatsächlich funktioniert, welche fachlichen und persönlichen Voraussetzungen Sie brauchen, wo die kostspieligsten Fehler lauern und warum die Wahl Ihrer Software-Infrastruktur über den Unterschied zwischen Profitabilität und Insolvenz entscheiden kann. Die Herausforderungen sind real. Manche Menschen passen nicht zu dieser Gründung – und das ist vollkommen in Ordnung. Wenn Sie bis zum Ende lesen und nicht abgeschreckt sind, ist das bereits ein gutes Zeichen.

Der Ergotherapie-Markt ohne Beschönigung
Deutschland zählt etwa 18.000 bis 20.000 zugelassene Ergotherapiepraxen. Der Gesamtumsatz im Heilmittelbereich liegt bei über 11 Milliarden Euro, wovon auf die Ergotherapie rund 2,5 bis 3 Milliarden Euro entfallen. Die überwiegende Mehrheit sind Klein- und Kleinstunternehmen, inhabergeführt und lokal verwurzelt. Große Ketten existieren kaum, weil der persönliche Kontakt zu zuweisenden Ärzten das zentrale Geschäftsmodell ist.
Der demografische Wandel treibt die Nachfrage. Mehr ältere Patienten mit neurologischen und geriatrischen Erkrankungen bedeuten mehr Verordnungen. Gleichzeitig steigt die Zahl von Kindern mit Entwicklungsstörungen wie ADHS oder Autismus-Spektrum-Störungen. Die Vergütungssätze der Krankenkassen steigen langsam, aber kontinuierlich. Das klingt nach einem stabilen Wachstumsmarkt – und das ist es auch. Allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: Der Wettbewerb ist in Großstädten brutal, während ländliche Regionen unter Versorgungsmangel leiden.
In urbanen Zentren gibt es eine hohe Praxisdichte. Der Kampf um Patienten ist zweitrangig – die eigentliche Herausforderung ist der Kampf um qualifiziertes Personal. Auf dem Land sieht es anders aus: Die Auftragsbücher sind voll, denn es gibt zu wenige Therapeuten. Aber genau das wird zum Problem, denn die Anwerbung von Mitarbeitern ist in dünn besiedelten Regionen extrem schwierig. Typische Margen liegen zwischen 5 und 18 Prozent, abhängig von Auslastung, Miete und Personalkosten. Praxen mit hohem Privat- oder Selbstzahleranteil können höhere Margen erzielen, doch das ist die Ausnahme.
Unterversorgte Nischen bieten Chancen: Geriatrie und Demenz sind Bereiche, in denen die Begleitung von Patienten zu Hause oder in Pflegeheimen oft mangelhaft ist. Die psychiatrisch-psychosomatische Ergotherapie wächst – Depression, Burnout und Angststörungen werden zunehmend auch therapeutisch behandelt. Ein reiner Selbstzahlermarkt öffnet sich in der betrieblichen Gesundheitsförderung: Arbeitsplatz-Analysen und Präventionskurse für Unternehmen. Tele-Therapie als digitale Ergänzung steckt noch in den Kinderschuhen, ist regulatorisch aber in Bewegung.
Ehrliche Frage: Passt das zu Ihnen?
Eine Ergotherapiepraxis ist nicht für jeden. Bestimmte Persönlichkeitsmuster führen fast zwangsläufig zum Scheitern, und das hat nichts mit mangelnder therapeutischer Kompetenz zu tun. Der reine "Helfer-Typ", der ausschließlich therapeutisch arbeiten will und Bürokratie als notwendiges Übel empfindet, wird an dieser Gründung zerbrechen. Die unternehmerische Tätigkeit macht mindestens 50 Prozent der Arbeit aus. Wer diesen Widerstand nicht auflöst, macht Fehler bei der Abrechnung, verliert den Überblick und gefährdet die finanzielle Stabilität.
Der konfliktscheue Harmoniesucher hat es ebenfalls schwer. Die Auseinandersetzung mit Krankenkassen über abgelehnte Verordnungen – sogenannte Absetzungen – erfordert Hartnäckigkeit. Gehaltsverhandlungen mit Mitarbeitern und das konsequente Eintreiben von Zahlungen bei Selbstzahlern verlangen Konfliktbereitschaft. Wer hier nachgibt, verliert nicht nur Geld, sondern auch Respekt. Gleiches gilt für den unstrukturierten Kreativen: Eine Ergotherapiepraxis ist ein hochgradig prozessorientiertes Geschäft. Terminplanung, Dokumentation und Abrechnung müssen minutiös und fehlerfrei sein. Chaos führt zu teuren Fehlern und kann die Kassenzulassung gefährden.
Der Alltag bringt spezifische Belastungen mit sich. Der ständige Kampf mit der Bürokratie ist real: Jede Heilmittelverordnung muss auf Formfehler geprüft werden, um Zahlungsablehnungen zu vermeiden. Das Personalmanagement ist eine Daueraufgabe, denn qualifizierte Therapeuten sind extrem schwer zu finden. Absagen-Management, Terminverschiebungen und die lückenlose Dokumentation jeder Behandlungseinheit gehören zur Norm, nicht zur Ausnahme. Hinzu kommt die fehlende Anerkennung der unternehmerischen Leistung: Man arbeitet als Unternehmer, wird aber oft nur als Therapeut wahrgenommen.
Wer gedeiht in diesem Umfeld? Gründer mit Prozessorientierung und Detailverliebtheit, denn der Erfolg hängt von der fehlerfreien Abwicklung hunderter kleiner Prozesse ab. Resilienz gegenüber Bürokratie ist entscheidend – wer Rückschläge durch Krankenkassen persönlich nimmt, brennt aus. Wer sie als sportliche Herausforderung sieht, gewinnt. Die wichtigste Fähigkeit ist Netzwerk-Kompetenz: Patienten kommen fast ausschließlich über ärztliche Zuweiser. Eine gute Beziehung zu den Ärzten in der Umgebung ist die wichtigste Vertriebsaktivität.
Fragen Sie sich ehrlich: Wie reagiere ich, wenn eine Krankenkasse die Bezahlung für zehn bereits durchgeführte Therapiesitzungen wegen eines Formfehlers auf der Verordnung verweigert? Bin ich bereit, aktiv auf Ärzte zuzugehen und meine Praxis vorzustellen, auch wenn ich mich dabei unwohl fühle? Was bereitet mir mehr Sorgen – einen Patienten therapeutisch nicht optimal zu behandeln oder eine Rechnung über 500 Euro wegen eines Verwaltungsfehlers nicht bezahlt zu bekommen? Beides ist schlimm, aber Gründer müssen die zweite Sorge ebenso ernst nehmen.
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Fachliche Voraussetzungen für Ergotherapeuten
Die gesetzliche Grundlage ist klar: Sie benötigen die Urkunde über die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Ergotherapeut/in" gemäß Ergotherapeutengesetz (ErgThG). Diese ist Bestandteil der dreijährigen Ausbildung. Ohne diese Urkunde ist die Berufsausübung illegal, ohne Diskussion.
Die zweite unverzichtbare Voraussetzung ist die Kassenzulassung nach § 124 SGB V. Ohne diese Zulassung können Sie nicht mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, was etwa 90 Prozent des Marktes ausschließt. Eine Praxis ohne Kassenzulassung ist faktisch nicht betreibbar. Der Antragsprozess dauert zwei bis vier Monate, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Die Kosten für Antragsgebühren und gegebenenfalls rechtliche Beratung liegen zwischen 500 und 1.500 Euro.
Das Konzept des "Meisters" existiert in der Ergotherapie nicht. Die zentrale Qualifikation ist die staatliche Anerkennung. Fortbildungen wie Bobath, Vojta oder Sensorische Integration sind für die fachliche Spezialisierung und das Marketing entscheidend, aber keine formalen Gründungsvoraussetzungen. Ein Bachelor oder Master in Ergotherapie ist für die Gründung einer Standardpraxis nicht erforderlich. Gegenüber der Berufsausbildung bringt ein Studium kaum Vorteile bei der Kassenzulassung. Es kann hilfreich sein für Führungspositionen, Lehrtätigkeiten oder Forschung, aber für die Gründung ist Praxiserfahrung und kaufmännisches Wissen wertvoller.
Ein Quereinstieg ohne die dreijährige staatlich anerkannte Ausbildung ist ausgeschlossen, denn die Berufsbezeichnung ist geschützt. Eine Person mit kaufmännischem Hintergrund kann eine Praxis gründen, muss aber zwingend einen fachlichen Leiter – einen staatlich anerkannten Ergotherapeuten – fest einstellen, der die therapeutische Verantwortung trägt. In der Praxis wird ein rein kaufmännischer Geschäftsführer von Ärzten und Mitarbeitern oft skeptisch betrachtet, wenn die therapeutische Exzellenz nicht durch den fachlichen Leiter glaubhaft verkörpert wird.
Rechtsform-Wahl
Die gängigsten Rechtsformen in der Ergotherapie sind Einzelunternehmen, Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Partnerschaftsgesellschaft (PartG), UG und GmbH. Die Wahl hängt von mehreren Faktoren ab und sollte nicht leichtfertig getroffen werden.
Wenn Sie als Solist mit geringem Startkapital und Fokus auf Kassenpatienten starten, ist das Einzelunternehmen die richtige Wahl. Die Gründungskosten sind minimal – 50 bis 200 Euro für die Gewerbeanmeldung. Der bürokratische Aufwand ist gering. Die Haftung ist persönlich, aber das Risiko ist durch eine gute Berufshaftpflichtversicherung beherrschbar.
Bei einer Gründung mit zwei oder mehr Therapeuten kommen GbR oder PartG infrage. Die GbR ist formlos gründbar, die PartG erfordert einen Notar. Die PartG hat den Vorteil, dass bei Behandlungsfehlern nur der handelnde Partner haftet. Ein detaillierter Gesellschaftervertrag ist bei beiden Formen überlebenswichtig – dazu später mehr im Abschnitt über Fehler.
Wenn Sie mehrere Angestellte beschäftigen, ein hohes Investitionsvolumen planen (etwa beim Praxiskauf) oder eine strikte Haftungsbegrenzung wünschen, sind UG oder GmbH die richtige Wahl. Sie trennen Privat- und Geschäftsvermögen und erhöhen die Kreditwürdigkeit. Allerdings führen sie zu höherem Gründungs- und Verwaltungsaufwand: Notar, Handelsregister und bei der GmbH 25.000 Euro Stammkapital, von denen mindestens 12.500 Euro eingezahlt werden müssen. Die Gründungskosten liegen bei 500 bis 1.000 Euro für die UG und bei 1.500 bis 3.000 Euro für die GmbH.
Versicherungen: Pflicht und Vernunft
Die Berufshaftpflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und kostet jährlich zwischen 200 und 500 Euro. Sie deckt Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die im Rahmen der therapeutischen Tätigkeit entstehen. Eine ausreichende Deckungssumme von mindestens 3 Millionen Euro ist Voraussetzung für die Kassenzulassung. Das ist nicht verhandelbar.
Empfohlen und faktisch unverzichtbar ist die Praxis-Inhaltsversicherung ab dem ersten Tag. Sie kostet jährlich 250 bis 600 Euro und sichert das Inventar – Therapiegeräte, Möbel, IT – gegen Feuer, Wasser und Einbruch ab. Sie deckt den Neuwert der Einrichtung, was bei teuren Therapiegeräten essenziell ist.
Die Praxisausfallversicherung wird relevant, wenn der Praxisbetrieb von der Arbeitskraft des Gründers abhängt. Sie kostet jährlich 400 bis 1.000 Euro und sichert laufende Kosten wie Miete und Gehälter ab, wenn der Inhaber durch Krankheit ausfällt. Wichtig: Sie greift oft erst nach einer Karenzzeit von etwa drei Wochen. Die Bedingungen müssen genau geprüft werden.
Sobald Sie Personal einstellen oder Verträge mit Kassen und Vermietern haben, wird die Berufsrechtsschutzversicherung sinnvoll. Sie kostet jährlich 300 bis 600 Euro und hilft bei Streitigkeiten über Abrechnungen, Kündigungsklagen oder Mietstreitigkeiten. Sie deckt Anwalts- und Gerichtskosten, aber nicht die strittige Summe selbst.
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Die Software-Frage richtig stellen
Der häufigste Fehler ist, Software zu kaufen, bevor Sie den eigenen Workflow verstehen. Das Prinzip lautet: Starten Sie minimal, erweitern Sie, wenn Schmerz auftritt – nicht präventiv. Aber es gibt eine entscheidende Ausnahme: Investieren Sie vom ersten Tag an in eine professionelle Praxissoftware. Der Versuch, mit Excel und Word zu starten, führt unweigerlich zu Chaos, Abrechnungsfehlern und gefährdet die Kassenzulassung. Der Rest kann minimal starten.
Warum ist das so? Eine Ergotherapiepraxis ist ein hochreguliertes Geschäft. Die Abrechnung mit den Krankenkassen folgt komplexen Regeln gemäß § 302 SGB V. Jede Verordnung muss korrekt erfasst, jede Behandlung lückenlos dokumentiert und jede Rechnung regelkonform erstellt werden. Ein einziger Formfehler kann dazu führen, dass die Krankenkasse die Zahlung verweigert – eine sogenannte Absetzung. Bei systematischen Fehlern kann das schnell 10 bis 20 Prozent des Umsatzes kosten und die Liquidität vernichten.
Kostenfreie Software für Ergotherapeuten-Gründer
Beginnen wir mit der unangenehmen Wahrheit: Für die Kern-Praxissoftware gibt es keine realistischen kostenfreien Optionen, die den gesamten Prozess von Verordnung über Dokumentation bis zur Abrechnung abdecken. Professionelle Tools wie THEORG, Starke Praxis, Alinea oder ADG/azh sind nicht verhandelbar. Sie sind das Herzstück der Praxis und sichern die Konformität mit den Abrechnungsregeln. Die Investition amortisiert sich durch vermiedene Fehler. Einmalkosten für Einrichtung liegen zwischen 500 und 2.000 Euro, die monatliche Miete oder Wartung kostet 50 bis 150 Euro pro Arbeitsplatz.
Warum ist diese Software so teuer? Weil sie eine spezialisierte Schnittstelle zu den Krankenkassen bietet, eine Plausibilitätsprüfung der Verordnungen durchführt und die Abrechnung automatisiert. Sie verhindert teure Absetzungen und spart Ihnen Stunden an Verwaltungsarbeit. Das ist keine Kostenstelle, sondern eine Versicherung gegen finanzielle Katastrophen.
Buchhaltung und Finanzen können Sie anfangs über die integrierten Module Ihrer Praxissoftware abwickeln. Excel ist nur in der absoluten Anfangsphase denkbar, aber nicht empfohlen. Die meisten Praxissoftware-Lösungen bieten eine DATEV-Schnittstelle. Spätestens wenn der Steuerberater dies fordert oder mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigt sind, wird der Export oder ein separates Tool wie Lexoffice oder Sevdesk für 15 bis 40 Euro monatlich notwendig. Das wichtigste Kriterium ist die Anbindung an die Praxissoftware.
Für Kommunikation und Zusammenarbeit reichen Standard-E-Mail und einfache Tools wie Trello für Aufgaben völlig aus, wenn Sie mit ein bis drei Personen arbeiten. Vorsicht bei WhatsApp: Der Austausch von Patientendaten ist DSGVO-problematisch. Wenn mehr als drei bis vier Mitarbeiter koordiniert werden müssen oder ein sicherer, DSGVO-konformer Messenger für den Austausch von Patientenfällen benötigt wird, kommen Tools wie Siilo oder Threema Work infrage. Höchste Priorität liegt auf Datenschutz beim Austausch von Patientendaten.
Das Gesamt-Budget für Software im ersten Jahr: Minimal (hauptsächlich Free-Tools außer Praxissoftware): 1.200 bis 2.500 Euro. Standard (Praxissoftware für zwei Plätze plus Buchhaltungstool und eventuell spezielle Diagnostik-Software): 2.500 bis 5.000 Euro. Weitere Module wie Warenwirtschaft für Therapiematerial oder komplexere Auswertungen werden relevant, wenn der manuelle Aufwand für diese Aufgaben mehr als zwei bis drei Stunden pro Woche übersteigt.
Software-Recherche kostet Zeit. Wir haben ergotherapie-spezifische Stacks kuratiert:
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Integration: Wann es zum Problem wird
Tool-Wildwuchs kostet nicht in erster Linie Geld, sondern kognitive Last. Sie sind die Integration zwischen den Tools. Das Ziel sollte eine zentrale Praxissoftware sein, die Terminplanung, Patientenakte, Dokumentation und Abrechnung vereint. Insellösungen – eine Software für Termine, eine für Rechnungen – erzeugen Doppelarbeit und Fehlerquellen und sind in dieser Branche nicht praktikabel. Die Entscheidung zwischen mehreren Free-Tools und einer bezahlten Plattform hängt von Ihrer Toleranz für Kontextwechsel ab.
Woher erste Kunden tatsächlich kommen
Die Realität im Ergotherapie-Markt ist eindeutig: 80 bis 90 Prozent aller Kassenpatienten kommen über ärztliche Zuweiser – Arztpraxen und Krankenhäuser. Der Gründer besucht aktiv die relevanten Arztpraxen (Allgemeinmedizin, Pädiatrie, Neurologie, Orthopädie) in einem Radius von fünf bis zehn Kilometern. Man stellt sich, die Praxis und die fachlichen Schwerpunkte vor. Vertrauen und fachliche Kompetenz sind entscheidend. Dieser Prozess muss kontinuierlich gepflegt werden, denn die Beziehung zu den Ärzten ist Ihr wichtigster Vertriebskanal.
Fünf bis 15 Prozent der Patienten kommen über Kooperationen mit Einrichtungen: Verträge oder Absprachen mit Pflegeheimen, Schulen, Kindergärten oder Frühförderstellen. Diese Kooperationen garantieren oft ein Grundrauschen an Patienten, erfordern aber ebenfalls aktive Akquise und Beziehungsmanagement. Weitere fünf bis zehn Prozent stammen aus dem persönlichen Netzwerk und Empfehlungen. Patienten, die von anderen zufriedenen Patienten oder Bekannten geschickt werden, entwickeln sich erst nach einer Anlaufphase, sind dann aber ein sehr starker und kostenloser Kanal.
Die Timeline ist extrem variabel: 15 Prozent der Gründer haben durch Kontakte aus früherer Anstellung Patienten am Eröffnungstag. 60 Prozent gewinnen den ersten Patienten innerhalb von vier Wochen nach aktiver Arzt-Akquise. 90 Prozent haben nach drei bis vier Monaten eine beginnende, aber noch nicht kostendeckende Auslastung. Die Varianz hängt fast ausschließlich von der Qualität und Intensität der Netzwerkarbeit bei den zuweisenden Ärzten ab. Ein bekanntes Gesicht in der lokalen Ärzteschaft startet sofort, ein Neuling braucht Monate.
Preis-Psychologie am Anfang
Unterpreisung betrifft fast ausschließlich Selbstzahlerleistungen wie Präventionskurse, Beratungen oder Kinesio-Taping. Gründer scheuen sich, adäquate Preise zu verlangen, aus Angst vor Ablehnung oder weil sie ihre Leistung mit den niedrigen Kassensätzen vergleichen. Sie fühlen sich als "zu teuer".
Die Konsequenz: Unwirtschaftliche Zusatzangebote, die mehr Arbeit als Ertrag bringen. Es etabliert sich ein niedriges Preisniveau, das später kaum zu korrigieren ist. Man zieht preissensible Kunden an statt solche, die Qualität schätzen. Die Vergütung für 90 Prozent der Leistungen ist durch die GKV-Rahmenverträge fix und nicht verhandelbar – die sogenannten Heilmittelpreise. Der unternehmerische Spielraum liegt bei der Effizienz (wie viele Behandlungen pro Tag schaffen Sie?) und bei den 10 Prozent Privat- und Selbstzahlerleistungen.
Marketing: Was funktioniert in der Ergotherapie
Der persönliche Besuch bei Arztpraxen ist der wichtigste und effektivste Kanal überhaupt. Der Aufwand ist hoch, die Kosten sind minimal (außer Zeit und eventuell Praxisflyer). Dieser Kanal entscheidet über Erfolg oder Misserfolg.
Eine professionelle Website wirkt nicht als direkter Akquise-Kanal, ist aber eine digitale Visitenkarte. Ärzte und Patienten googeln die Praxis, bevor sie eine Verordnung ausstellen oder einen Termin machen. Eine unprofessionelle Seite kann abschreckend wirken. Der Aufwand ist einmalig mittel, die Kosten liegen zwischen 1.500 und 5.000 Euro. Die Effektivität ist moderat, aber als Hygienefaktor unverzichtbar.
Lokale oder regionale Fachvorträge in Kindergärten über "Stift-Haltung" oder in Seniorenzentren über "Sturzprophylaxe" positionieren Sie als Experten und führen direkt zu Anfragen – von Selbstzahlern oder durch Verordnungen. Der Aufwand ist mittel, die Kosten sind gering, die Effektivität ist hoch.
Was Sie vermeiden sollten: Google Ads oder SEO für Begriffe wie "Ergotherapie Hamburg" sind Geldverschwendung. Patienten suchen nicht aktiv nach Ergotherapie, sie gehen zum Arzt und bekommen eine Verordnung. Das Suchvolumen ist gering, die Kosten sind hoch. Hochglanz-Anzeigen in lokalen Zeitungen haben enorme Streuverluste. Sie erreichen 99 Prozent Menschen ohne aktuellen Bedarf. Das ist zu teuer für zu wenig Wirkung.
Keine Website, kein Online-Auftritt = schwierige Kundengewinnung.
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Oder starten Sie mit KI-gestützter Kundenansprache:
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Warum Ergotherapiepraxis-Gründer scheitern
Verordnungs-Missmanagement (Formfehler bei Heilmittelverordnungen)
Warum es passiert: Unwissenheit, Stress und der Fokus auf die Therapie statt auf die Verwaltung. Die Regeln sind komplex – Heilmittelkatalog, Diagnoseschlüssel. Ein kleines falsches Kreuzchen oder ein fehlendes Datum genügt. Die Krankenkasse führt eine Absetzung durch, das heißt, sie weigert sich, die Leistung zu bezahlen. Bei systematischen Fehlern kann das schnell 10 bis 20 Prozent des Umsatzes kosten und die Liquidität der Praxis vernichten.
Sie erkennen es daran: Mehr als ein bis zwei Absetzungen pro Monat. Mitarbeiter sagen "Das prüfen wir später" oder "Der Arzt wird schon wissen, was er tut". Das ist ein Warnsignal. Die Schwere ist hoch – oft fatal. So retten Sie es: Sofortige Implementierung eines Vier-Augen-Prinzips zur Prüfung jeder einzelnen Verordnung bei Annahme. Schulung aller Mitarbeiter. Nutzung einer Praxissoftware, die eine Plausibilitätsprüfung durchführt.
Unprofessioneller GbR-Vertrag oder kein Vertrag
Warum es passiert: Gründung mit Freunden oder Partnern unter der Annahme "Wir verstehen uns ja gut, wir brauchen keinen Papierkram". Man scheut die Kosten für einen Anwalt. Bei Meinungsverschiedenheiten über Geld, Arbeitszeit oder strategische Ausrichtung gibt es keine Regelung. Die Praxis wird handlungsunfähig. Es kommt zu Rechtsstreitigkeiten, die oft das Ende der Praxis und der Freundschaft bedeuten.
Sie erkennen es daran: Sätze wie "Das klären wir dann, wenn es soweit ist". Keine schriftliche Regelung für den Fall von Krankheit, Austritt oder Tod eines Partners. Die Schwere ist ernst. So retten Sie es: So schnell wie möglich einen detaillierten Gesellschaftsvertrag von einem auf Heilberufe spezialisierten Anwalt aufsetzen lassen. Das kostet 1.500 bis 3.000 Euro, ist aber die beste Versicherung für die Partnerschaft.
100-prozentige Abhängigkeit von Kassensätzen
Warum es passiert: Der Gründer konzentriert sich voll auf das Abarbeiten von Kassenrezepten, weil dies der einfachste Weg zu Umsatz ist. Entwicklung und Vermarktung von Selbstzahler-Angeboten wird als zu aufwendig empfunden. Die Praxis hat hauchdünne Margen und ist jeder Erhöhung von Miete oder Gehältern schutzlos ausgeliefert. Es gibt keinen Puffer. Der Gründer ist im Hamsterrad gefangen, denn er kann nur durch "mehr Menge" wachsen.
Sie erkennen es daran: Die Antwort auf die Frage "Wie können wir den Gewinn steigern?" lautet immer "Mehr Patienten behandeln". Keine Zeit für die Entwicklung neuer Angebote im Terminkalender blockiert. Die Schwere ist recoverable. So retten Sie es: Bewusst 10 Prozent der Arbeitszeit für die Entwicklung von ein bis zwei attraktiven Selbstzahler-Angeboten (zum Beispiel ein Kurs "Schulfit für Vorschulkinder") blocken. Diese aktiv bei Ärzten, in Kindergärten oder online bewerben.
Zu späte Einstellung des ersten Mitarbeiters
Warum es passiert: Angst vor den Kosten und der Verantwortung. Der Gründer versucht, alles selbst zu machen, um Geld zu sparen. Der Gründer ist zu 100 Prozent mit Patientenbehandlungen ausgelastet. Es bleibt keine Zeit für Akquise, Verwaltung oder strategische Arbeit. Die Qualität leidet, der Gründer steuert auf einen Burnout zu. Das Wachstum der Praxis stagniert.
Sie erkennen es daran: Der Terminkalender ist für die nächsten vier Wochen komplett voll. Man muss regelmäßig neue Patienten abweisen. Administrative Aufgaben werden nur noch am Wochenende erledigt. Die Schwere ist ernst. So retten Sie es: Sobald die Auslastung bei 70 bis 80 Prozent liegt, aktiv mit der Suche nach einem Mitarbeiter beginnen – zum Beispiel auf 450-Euro-Basis oder Teilzeit. Die zusätzlichen Einnahmen durch den Mitarbeiter decken dessen Kosten und schaffen dem Gründer Freiräume.
Was jetzt?
Wenn Sie bis hierher gelesen haben und nicht abgeschreckt sind, ist das ein gutes Zeichen. Die Herausforderungen einer Ergotherapiepraxis-Gründung sind real: die Abhängigkeit von Kassenzulassungen, der intensive Wettbewerb um Personal, die Komplexität der Abrechnung und die Notwendigkeit, sowohl therapeutisch als auch unternehmerisch zu denken. Aber sie sind manageable mit Vorbereitung.
Was wirklich wichtig ist: Eine professionelle Praxissoftware vom ersten Tag an. Ein systematischer Zugang zu ärztlichen Zuweisern. Ein detaillierter Gesellschaftsvertrag bei Partnergründungen. Und die Bereitschaft, sich mit den unternehmerischen Seiten auseinanderzusetzen, die nichts mit Therapie zu tun haben. Wenn Sie ernsthaft interessiert sind, suchen Sie professionelle Beratung, sobald Sie eine Entscheidung über die Rechtsform treffen, eine Praxissoftware wählen oder einen Gesellschaftsvertrag aufsetzen müssen.
Nächster Schritt: Kostenfreie Gründungsberatung
Sie haben bis hierher gelesen – das zeigt ernsthaftes Interesse.
Was wir in 30 Minuten klären:
- Ist eine Ergotherapiepraxis-Gründung realistisch für Ihre Situation?
- Welche Voraussetzungen fehlen Ihnen noch?
- Realistischer Kapitalbedarf und Timeline für Ihren Fall
- Software-Stack Empfehlung
Kostenlos. Unverbindlich. Ehrlich.
Alternative Ressourcen:
- Ergotherapie-Software Übersicht
- Webseite für Ergotherapeuten
- KI-Tools für Ergotherapeuten
- Dashboard-Lösung
Resources
Nützliche Anlaufstellen für Ergotherapiepraxis-Gründer:
Verbände und Kammern:
Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE) – Fachverband mit Gründungsberatung, Musterverträgen und rechtlicher Unterstützung. Landesverbände bieten regionale Vernetzung.
Zertifizierungsstellen:
Zuständige Landesbehörden für die Kassenzulassung nach § 124 SGB V – in jedem Bundesland unterschiedlich organisiert, meist bei den Regierungspräsidien oder Gesundheitsämtern.
Förderdatenbanken:
KfW-Gründerkredit – Zinsgünstige Darlehen für Existenzgründer. Länder-Programme variieren stark, in Bayern gibt es andere Angebote als in NRW. Die lokale IHK oder Handwerkskammer berät kostenlos.
Netzwerk-Plattformen:
Regionale Praxisbörsen für Übernahmen und Kooperationen. Online-Foren wie ergotherapie.de bieten Erfahrungsaustausch mit etablierten Praxisinhabern.